Die ü30-Blogger haben zur monatlichen Blogparade eingeladen und ich möchte gern wieder dabei sein.
Tja, was ist nun eigentlich mein Hobby? Und habe ich dazu Bilder?
Also, ich verbringe unheimlich viel Zeit an meinem Laptop. So viel, dass ich darüber manchmal das Essen im Topf auf dem Herd vergesse (es entstehen eindeutig zu viele Röstaromen) oder Tee so lange ziehen lasse, dass ich, wenn ich es nach Stunden bemerke, den mittlerweile bitter und kalt gewordenen Tee wegschütten muss.
Mein Laptop ist für mich Schreib- und Recherchemaschine.
Ich sammle und schreibe Familiengeschichten.
Nein, in mir steckt keine verkappte Schriftstellerin, die ihren Durchbruch in die Bestsellerlisten vorbereitet. Ich halte die Erzählungen zusammen, die in der Familie bereits aufgeschrieben wurden, ergänze sie und schreibe sie fort. Das Internet hilft mir, diese Geschichten in ihren geschichtlichen und gesellschaftlichen Zusammenhang einzuordnen. Durch meine Recherchen sehe ich meine Familie, meine Vorfahren als Teil der deutschen Geschichte. Klingt jetzt etwas hochtrabend, lässt sich jedoch an einem Beispiel anschaulich beschreiben:
Meine Eltern waren Flüchtlinge bzw. Vertriebene aus Ostpreußen. Mein Vater war Rückkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft. Meine Eltern lernten sich in einem Teil Deutschlands kennen, der ihnen völlig fremd war. Mein Vater hat seine Heimat erst viele Jahrzehnte später wiedergesehen, nachdem sich der eiserne Vorhang gelichtet hatte. Meine Mutter sah ihre Heimat nie wieder.
Meine Eltern waren zwei von 10 Millionen Menschen aus Ostpreußen, Schlesien, Pommern ... Einzelschicksale, die in ihrer Summe die Deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts ausmachen.
Wenn ich abtauche in die Familiengeschichte und in den geschichtlichen und gesellschaftlichen Kontext, dann ist es, als ob mein Gedankenflieger zur Zeitmaschine wird und ich zurück reise in vergangene Zeiten. Es ist spannend und echtes Kopfkino ... und ich vergesse manchmal, aus meiner Zeitmaschine wieder rechtzeitig auszusteigen.
Meine Sammlung an Familiengeschichten enthält die Lebensgeschichte meines Vaters, Aufzeichnungen meines Urgroßvaters, Kindheitserinnerungen meiner Schwiegermutter ...
Also, mein Hobby sind Familiengeschichten und Deutsche Geschichte.
Eine meiner Familiengeschichten möchte ich mit euch teilen. Mein Vater hat sie in der Kriegsgefangenschaft erlebt. Es war ein positives Erlebnis, ein Lichtblick in schwerer Zeit.
Stalins Faust
In unserem Gefangenenlager in Charkow im Elektromotorenwerk war ich zum Transportkommando eingeteilt worden. Es war im Winter 1946 und sehr kalt. Wir mussten vom Heizkraftwerk Kesselschlacke mit der Bahn zur Deponie fahren und abladen. Die Schlacke war auf einen offenen Plattformwaggon geladen und musste von Hand abgeladen werden. Wir waren mit 6 Gefangenen und einem Posten auf dem Waggon und nach kurzer Fahrt kamen wir zur Deponie und luden ab. Der Zug fuhr weiter und wir setzten uns auf die Halde, die noch sehr warm war und uns wärmte.
Im Internet "surfe" ich nicht nur, ich fische so manches für mich wertvolle Detail aus dem Netz.Inzwischen hatte es angefangen zu schneien mit großen, dicken Flocken, sodass man kaum 2 Meter weit sehen konnte. Der Schnee lag bald 10 cm hoch und schluckte fast alle Geräusche. Da stand einer unserer Gefangenen auf und trat zwischen die Gleise, um sich etwas zu entfernen. Da tauchte plötzlich aus dem Schneegestöber ein dunkler Schatten auf. Es war eine Rangierlok. Sie traf mit der Klauenkupplung – wir nannten sie immer „Stalins Faust“ – den Gefangenen in den Rücken, warf ihn zwischen die Gleise und überrollte ihn. Wir sprangen sofort auf, um nach der Leiche zu sehen. Die rappelte sich aber auf, guckte erstaunt und fragte, was das denn gewesen sei. „Das war Stalins Faust, die dich getroffen hat“, haben wir ihm gesagt. Abends im Lager beim Duschen sahen wir, dass er einen faustgroßen Bluterguss auf dem Rücken hatte. Der dicke Wintermantel und die Wattejacke hatten alles abgefangen. Da er die Hände tief in den Manteltaschen vergraben hatte, landete er genau zwischen den Schienen. Er hatte großes Glück gehabt.
Die "Recherchen" im Netz bringen mir also deutlich mehr als das Nachlesen des Zeitgeschehens in Geschichtsbüchern. Das Internet ist wirklich eine große Wundertüte.
eine Station auf unserem Roadtrip entlang der B27 vom Beginn an der Schweizer Grenze bis zum Ende in Blankenburg im Harz