Achtung - in diesem Beitrag wird gelästert
Seit vielen Jahren schon habe ich "die Burda" im Abo. Burda begleitete mich durch meine Jugend. Meine Mutter nähte meine Tanzstundenkleider nach Burda-Schnitten, auch meine Schwiegermutter bezog die Hefte über Jahrzehnte. Obwohl ich selbst nur selten nähe, bei mir ist es eher ein "Ich könnte doch mal ...", die Hefte blättere ich doch gern durch, nehme sie oft als Anregung, z. B. um ältere Kleidungsstücke wieder zu reaktivieren, denn schließlich wiederholt sich in der Mode alles irgend wann einmal. Manche der Hefte blättere ich einmal an einem gemütlichen Abend im bequemen Sessel durch und lege sie dann weg. Andere nehme ich immer wieder zur Hand, blättere sie nicht nur durch, nein, ich "studiere" das ein oder andere Kleidungsstück durchaus gründlich. Manches finde ich ganz nett, manches gefällt mir ganz gut, vielfach finde ich auch "ein Haar in der Suppe", an dem ich rumnörgeln kann. So richtig überzeugend toll finde ich nur selten etwas, denn ich bin kritisch. Wenn schon selbst genäht, dann soll es "perfekt" sein. "Perfekt" sind für mich nicht zwingend die geraden Nähte, die ordentliche Innenverarbeitung usw.. Perfekt muss der Sitz sein, die Balance, die harmonischen Proportionen, insgesamt muss das Modell "stimmig" sein.
Wenn ich ein Kleidungsstück "ganz hübsch" oder "ganz nett" finde, dann ist es ein ABER-Kleid, eines, an dem ich etwas auszusetzen habe, eben ein dickes ABER. Ich stelle mir dann vor, was ich an dem Schnitt ändern würde, damit er mich überzeugt.
Aktuell propagiert Burda auf ihrer Homepage "Etuikleider für den Übergang".
"Klassisch und sexy - das Etuikleid ist ein echtes Power-Dress! Je nach
Schnitt betont es unsere Weiblichkeit genau da, wo wir es wollen und
setzt sowohl schmale Silhouetten als auch Kurven perfekt in Szene."
In den vergangenen Jahren gab es für PLUS SIZE tatsächlich überwiegend Etuikleider - oder das Gegenteil davon: lockere, formlose Hüllen (ich will nicht "Zelte" schreiben).
Für mich selbst und an vielen anderen eher fülligen Frauen finde ich "fit and flare" meist schmeichelnder.
Alle Bildquellen Burda Style.
Quelle. Burdastyle Etuikleid 12/2019 #125
Burda schreibt dazu: "Marilyn Monroe wäre so neidisch auf dieses rote Etuikleid, das eine Sanduhr-Silhouette formt." - Nein, wäre sie nicht! Sie hätte kein Kleid getragen, das so schlecht sitzt! Abgesehen davon hatte sie eine Sanduhr-Figur, die musste nicht erst "geformt" werden.
Das Model ist bildhübsch und hat eine schöne Sanduhr-Figur. Aber das Kleid sitzt nicht!
1. Es betont den Bauch und die Schenkel und wie es um die Hüften Falten wirft, betont es wahrscheinlich auch noch den Po. Ist das so gewollt?
2. Laut technischer Zeichnung soll der obere Rand der Passe genau in der Taille sitzen, das tut er nicht. Das Oberteil zieht etwas nach oben, d. h. der Schnitt passt nicht gut an der Brust.
3. Die kurzen Brustabnäher sitzen einen Tick zu weit oben.
4. Die mehrteiligen Ärmel sitzen nicht. Auf der Unterseite sehen sie aus wie Zwickel, der Oberarm scheint zu weit zu sein, jedenfalls wirkt der linke Ärmel am Oberarm hohl.
Für dieses Kleid wäre eine weitere Anprobe notwendig gewesen mit FBA, Anpassung am Bauch und an den Ärmeln. Ein echtes ABER-Kleid. Hätte ich es für mich genäht, ich hätte mich über das Ergebnis geärgert.
Ein anderes Beispiel: Kleid 06/2020 #125B
An sich finde ich "fit and flare" kleidsam, ABER dieses hier ist nicht gelungen ...
Auch hier sehe ich sofort, dass das Kleid im Brustbereich zu eng ist. In diesem Fall sind die kurzen Brustabnäher etwas zu lang, d. h. bei der Trägerin ist der Brustabstand etwas weiter als im Schnitt vorgesehen. Das Oberteil ist insgesamt zu kurz, der Rock ist oberhalb der Taille angesetzt. Ich finde, wenn das Oberteil etwas zu kurz ist, wirkt das ganze Kleid wie ein Kinderkleidchen, aus dem die Trägerin herausgewachsen ist.
Zwischen den Erscheinungsterminen liegt ein halbes Jahr. Trotzdem scheinen die Oberteile auf demselben Schnitt zu basieren. Ein Schnitt, der mir aufgrund der technischen Zeichnung gefallen könnte, der mir aber zu schwierig zu ändern wäre, wenn ich den Brustpunkt verschieben und eine FBA machen wollte. Auch das ist also ein gefälliges Kleid mit einem ganz dicken ABER.
Meine beiden Lieblingshefte in diesem Frühjahr und Sommer waren 04/2020 und 05/2020.
Dabei hatte Heft 05 deutlich die Nase vorn. Es enthält mehrere recht hübsche ABER-Kleider, auf die ich in einem Folgebeitrag eingehen werde.
Für heute will ich noch ein Modell vorstellen, das ich bei Erscheinen des Hefts überhaupt nicht auf dem Schirm hatte ...
"Ganz nett", dachte ich beim Durchblättern, ABER was soll ich mit einer Tunika? Ich trage selten Hosen, deshalb würde ich mir nicht die Mühe machen, für diese seltenen Anlässe ein Oberteil selbst zu nähen.
Seit einiger Zeit stöbere ich auf den russischen Seiten der Burda (burdastyle.ru/fotoforum). Nun, die russischen Leserinnen der Burda haben das Potential dieses Kleidungsstücks schon von Anfang an erkannt. Nur wenige Tuniken werden gezeigt, aber viele tolle Kleider ...
Die Hobbyschneiderinnen haben entweder die Stufen verlängert oder eine weitere Stufe hinzu gefügt. Manche haben das Kleid auch mit einem Gummiband in der Taille auf Figur gebracht. Auf jeden Fall waren die Werke überzeugend, mehr als die Tunika im Heft!
Auch bei meinem Streifzug durch den Konsumtempel meiner Heimatstadt habe ich diesen Kleidertyp bei bekannten Marken gesehen - in schönen Herbstfarben aus Seide (oder zumindest seidenähnlichen Stoffen), aus federleichten Wollstoffen ...
Diesen Schnitt muss man sich merken ... Bei mir war es Liebe auf den 4. oder 5. Blick. Es ist wieder ein ABER-Kleid, denn als Tunika sprach es mich nicht an, wohl ABER als Kleid.
Vielen Dank für deine kritische Betrachtung der Modelle. Ich habe mir deinen Post aufmerksam durchgelesen und kann alles so unterschreiben wie von Dir formuliert und ich bin Dir dankbar dafür, denn so genau hatte ich noch gar nicht hingesehen. Da ich das Schneidern nicht gelernt habe, mache ich vieles nur nach Augenmaß.
AntwortenLöschenABER-Projekte hat BURDA jede Menge. Manchmal habe ich es oft als Zumutung für Plus-Size empfunden, welche Schnitte den Kundinnen ab Gr. 44 zugemutet werden. Einfach häßliche Zelte. Warum machen die das?????
An den Tunikaschnitt kann ich mich noch gut erinnern, denn ich fragte mich, wieso ich so eine Tunika nähen sollte...... sie mogelt Pfunde dahin, wo sie nicht sein sollten.
Ich freue mich schon jetzt auf weitere kritische Posts von Dir!
Schöne Grüße
Susan
auf der modedesign-schule anfang der 90er haben wir immer böse abgelästert über die schlechten schnitte - vor allem ärmel können die nicht - der burda. wir hatten sehr gute schnittkurse damals, wir lernten mit wenig aufwand gut sitzende schnitte zu machen und diese kreativ anzuwenden.....aber burde hat offensichtlich nix dazugelernt seitdem.
AntwortenLöschendas rote kleid sitzt so, wie man es im kaufhaus kriegt.... das liegt aber auch am labbrigen stoff und es hat wohl kein futter - ein echtes etuikleid ist immer unelastisch UND gefüttert - alles andere ist ein verlängerter badeanzug ;-D
klar ist das dann "unbequem" - man muss sich halt entscheiden ob billige wurstpelle oder edles dress.
diese micro-brustabnäher an wiener naht sind totaler mumpitz - die ganze ausformung macht man mit der wiener naht, dazu ist die erfunden worden! man kann damit eine wahnsinns 3-dimensionalität herstellen - aber nur, wenn man nicht burda heist ;-P
das kittelchen ist hübsch - ich würde die taille eine handbreit tiefer legen und gürtel tragen - was mit stufen sollte ich mal wieder machen, mag ich eigentlich.
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